Das Fahren auf einer Autobahn, einer Straße mit breiten Fahrstreifen, gegenverkehrsfrei, durch unbewohnte Gebiete, ohne Bahnübergänge, Kreuzungen und Menschen, mit glatter Fahrbahn und Kurven mit sehr großem Radius, ist heute eine normale Situation für alle Autofahrer.
Aber welche Nation steckt hinter dem Pionier des Autobahnbaus?
Die Deutschen? Die Amerikaner? Die Italiener?
Die erste Spur führt zunächst nach New York. Denn dort lebte die Rennfahrerlegende William K. Vanderbilt Jr., dessen Rennleidenschaft so groß war, dass er 1904 die Vanderbilt-Cup-Rennen ins Leben rief. Diese Wettbewerbe verliefen durch gefährlich enge lokale Straßen, wobei es immer wieder zu hässlichen Unfällen mit Verletzten und schließlich auch Toten kam. Um dem zu umgehen, konzipierte Vanderbilt einen landschaftlich gestalteten Parkway, mobilisierte die amtierenden Industriekapitäne und die einflussreichsten Familien von Long Island, um die Finanzierung und Gestaltung des Long Island Motor Parkway zu organisieren. Der erste 10-Meilen-Abschnitt wurde 1908 eröffnet und erstreckte sich über 45 Meilen von Queens bis zum Lake Ronkonkoma. Es war eine der ersten Betonstraßen des Landes und die erste Autobahn, bei der Brücken und Überführungen verwendet wurden, um Kreuzungen zu vermeiden. Ansätze waren also da, aber weil sie eine private Straßenverbindung und Rennstrecke war, macht sie das nur zum Vorläufer der Autobahn. Sie wurde 1938 vom Staat New York übernommen und stillgelegt.

Eine weitere Spur zeigt nach Deutschland. Denn dort lassen sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg erste Pläne für eine „Kraftfahrstraße“ finden. Es sollte allerdings bis zum 06.08.1932 dauern, als Johannes Horion, Landeshauptmann der Rheinprovinz, und der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer die erste „Nur-Autostraße“ des Deutschen Reiches eröffneten. Die Strecke verband Köln und Bonn und stellte die erste Autobahn Deutschlands dar. Auf dieser Straße waren ausschließlich Pkw und Lkw zugelassen, Motorräder waren ausgeschlossen. Die Strecke verlief über 20 Kilometer kreuzungsfrei und hatte lediglich eine Abfahrt bei Brühl.
Bei der Eröffnung prophezeite Adenauer: „So werden die Straßen der Zukunft aussehen. Ich hoffe, dass die nunmehr erzielte Zeitverkürzung und Fahrbequemlichkeit dem Rhein und den Schönheiten seiner Landschaft neue Freunde aus dem In- und Ausland zuführen mögen.“

Der Ruhm hielt jedoch nicht lange an, denn schon wenige Monate später, als die Nationalsozialisten die Macht ergriffen, stuften diese Horions und Adenauers Autobahn zur Landstraße herab, damit sich Adolf Hitler als Erfinder der Autobahn profilieren konnte. Ganz im Sinne der Nationalsozialisten sollten die Autobahnbaustellen das „Ende der Arbeitslosigkeit“ stilisieren. Doch das war bekanntlich mehr Schein als Sein. Erfunden hat Hitler die Autobahn jedenfalls nicht, denn er übernahm schlichtweg nur vorhandene Baupläne der Weimarer Republik und nutzte diese zu Propagandazwecken. Sollte doch was anderes behauptet werden, sorgte Hitlers Chefplaner für die Reichsautobahnen, Fritz Todt, für Richtigkeit. Trotzdem, der Mythos, Hitler sei der Erfinder und Erbauer der ersten Autobahn, hält sich zum Teil bis heute.

Die letztendlich richtige Spur liegt zwischen diesen beiden Ereignissen. Und zwar in Italien. Dort lebte von 1883 bis 1951 der mailändische Tiefbauingenieur Piero Puricelli. Als Inhaber einer Mailänder Straßenbaufirma (Società Anonima Autostrade, eine Art italienische Autobahn GmbH) hatte er in weitblickender Weise eine geniale Idee in die Praxis umgesetzt. 1921, als es in ganz Italien gerade einmal 80 Tausend Autos und Lastwagen gab, wollte er „seine“ Stadt Mailand mit den Gebieten von Varese, Como und Lago Maggiore mit einer Autolaghi verbinden. Eine Autobahn, die ausschließlich dem schnellen Verkehr und den Autos vorbehalten sein soll, ohne Wagen, Fahrräder oder Fußgänger. Diese Idee, die von allen Seiten, besonders aber von der Regierung Mussolini tatkräftige Unterstützung fand, war sicherlich futuristisch und mutig, denn zu jener Zeit bewegte sich die Mehrheit der Bevölkerung noch mit Tieren gezogenen Karren, Fahrrädern oder Zügen fort. Doch schon bald öffnete die sogenannte Autostrada die Türen zu einer neuen Art, sich zwischen den Städten fortzubewegen.
So entstand in nur zwei Jahren die erste „richtige“ Autobahn der Welt mit einer einzigen Fahrspur in jede Richtung, einer Breite von 11 bis 14 Metern und einem Belag aus 18 bis 20 cm dicken Betonplatten. Die Strecke ist fast vollständig gerade, mit einigen Kurven mit einem Radius von nicht weniger als 400 Metern und einer Steigung von bis zu 3 %. Daten und Abmessungen, die mehr als ausreichend sind, um einen täglichen Verkehr von einigen Dutzend Fahrzeugen pro Tag aufzunehmen. Im Jahr 1924 waren in Italien knapp 85.000 Fahrzeuge im Umlauf: etwa 57.000 Autos, 25.000 Lastkraftwagen und etwa 2.500 Busse. Heute, um einen Vergleich zu haben, sind es über 50 Millionen.
Für den Bau wurden 4.000 Arbeiter, 200.000 Doppelzentner Zement und 65.000 Kubikmeter Kies aus den Steinbrüchen von Bisuschio verwendet, was 90 Millionen Lire kostete. Hinzu kamen fünf revolutionäre Betonmischer von Koering-Paving, die aus Amerika importiert wurden und an einem Tag 1.200 Kubikmeter Beton aufbereiteten.
An der Einfahrt gab es keine Mautstellen, sondern Straßenarbeiterhäuser mit Parkzwang für die Zahlung der Maut. Die Autobahn wurde um ein Uhr morgens geschlossen und um sechs Uhr morgens wieder geöffnet.

Die Tarife variieren je nach Fahrzeugtyp und Leistung: 9 Lire für Motorräder; 12 Lire für Fahrzeuge bis 17 PS, 17 Lire für Fahrzeuge zwischen 17 und 26 PS, 20 Lire für Fahrzeuge über 26 PS und 40 bis 60 Lire für Busse je nach Länge. Eine Ermäßigung von 20 % wird auf die Hin- und Rückfahrkarte gewährt, die ausschließlich zwischen sechs und ein Uhr, den Öffnungszeiten und dem Service der Strecke gehalten wird.

Bis 1946 waren die Mauteinnehmer zudem verpflichtet, die Firmenuniform zu tragen und bei der Durchfahrt jedes Fahrzeugs beim Ein- und Ausfahren zu salutieren. Dazu schrieb Piero Puricelli: „Der Straßenarbeiter lebt dort mit seiner Familie: Bei Bedarf wird er von einem Hilfsstraßenarbeiter unterstützt. Für die Reinigung der Strecke ist der Radfahrer verantwortlich. Der Straßenwärter trägt Uniform und salutiert militärisch vor allen Autos. In den Hauptstraßenstationen gibt es automatische Zapfsäulen, Öl-Depots, Reifen und alles andere, was für die gemeinsame Versorgung benötigt wird.“ Um Zweifel auszuschließen: „Den für die Bewachung und Überwachung der Autobahnen zuständigen Beamten kann von der Präfekturbehörde zusätzlich zum Tragen langer Schusswaffen eine kostenlose Erlaubnis zum Tragen kurzer Schusswaffen, d. h. Revolver und Pistolen, erteilt werden.“

Das erste Teilstück bis Gallarate wurde am 20. September 1923 eröffnet. Die Einweihung fand am 21. September 1924 statt. Und zwar in einem prächtigen Lancia Trikappa. Der damals vierzigjährige Ingenieur Piero Puricelli nahm seinen Platz neben König Vittorio Emanuele III. ein, um zum ersten Mal eine Autokolonne auf der Autobahn Mailand-Varese anzuführen, die heute als A8 bekannt ist. (Im Jahre 1933 gab es in Italien bereits ein Autobahnnetz, das 457,5 km lang war.)


Bildquellen:
Textquellen:
www.motoremotion.it (Massimo Campi)
LVR (Landschaftsverband Rheinland)
Long Island Motor Parkway (nycroads.com)