Alles begann 1974, als Sergio Camuffo und sein Team mit meiner Entwicklung starteten. Für meine Basis mussten die Plattform und Antriebskomponenten des Fiat Ritmo dienen. Aber Camuffo wäre nicht Camuffo, wenn er nicht aus einer Fiat-Plattform einen technisch anspruchsvollen Lancia zaubern könnte. Plattform und Antrieb modifizierte er so weit, dass ich mich später als eigenständiger und selbstbewusster Lancia fühlen konnte.
Ich bekam McPherson-Federbeine mit Stabilisator und einen längeren Radstand. Mein Herz und somit meine Seele bekam ich von Aurelio Lampredi und mein Kleid, das bekam ich vom großartigen Designer Giorgetto Giugiaro. Ich erhielt vier Türen, eine praktische Heckklappe, schmale Dachsäulen, Leichtmetallfelgen, dynamisch wirkende Rechteckleuchten vorne und typisch senkrechte Leuchten am Heck. Meine Stoßstangen wurden in Karosseriefarbe lackiert und das Beste überhaupt, meine Fenster konnten elektrisch geöffnet werden!
So erblickte ich also 1979 als Kompaktwagen in Lingotto das Licht der Welt. Und um der Welt zu zeigen, wie gut ich gelungen war, ließ ich mich im September mit zwei verschiedenen Motoren, 1300 (75 PS) und 1500 (85 PS) auf der IAA feiern. Luxuriös und komfortabel zeigte ich mich von meiner besten Seite und schaffte es auch, mich von der Masse abzuheben.
Dass mein Auftritt erfolgreich war, bestätigte später die Fachpresse. Die war nämlich so sehr begeistert, dass ich gleich im darauffolgenden Jahr zum „Auto des Jahres 1980“ gewählt wurde. Eine Auszeichnung, die in der langen Geschichte der Firma Lancia nur mir zuteil geworden ist.
Das war er nun, der Beginn meiner langen und erfolgreichen Karriere. Im Laufe der folgenden 15 Jahre wurde ich immer wieder aufs Neue modifiziert. Ich wurde mit Automatikgetriebe ausgestattet, bekam alternativ einen Turbodiesel, für den griechischen Markt erschien eigens eine hubraumbegrenzte Version von mir und sogar in Skandinavien war ich auf Grund der Kooperation mit Saab als Saab Lancia 600 zu Hause.
Zunächst aber bekam ich eine breitere aerodynamische Lippe unter der Stoßstange und einen bescheidenen Leistungszuwachs. Ab 1982 gab es mich dann zusätzlich als 1600 GT mit 105 PS und ab 1983 als Delta HF mit Abgasturbolader und 130 PS. 1986 erhielt ich zum einen eine elektronische Einspritzung und einen Katalysator (1,6 GT i.e.+ HF Turbo) und zum anderen ein Allradgetriebe mit einem Zweilitermotor mit 165 PS und wurde Delta HF 4WD genannt.
Wieder ein Jahr später, 1987, modifizierte man mich zum Delta HF Integrale und 1989 weiter zum HF Integrale 16V. 1991 errichte ich die nächste Evolutionsstufe und 1993 schließlich meine letzte. Am Ende wurde ich immer breiter, schneller und sportlicher und alle kannten mich unter dem Namen Evo und Evo II.
Aber ganz besonders schick standen mir die Kleider der Evo Sondermodelle wie Giallo Ferrari (EVO I), Club Italia (EVO I), Martini 5 (Evo I), Martini 6 (Evo I), Verde York (Evo I + EVO II), Blu Lagos (Evo II), Giallo Ginestra (EVO II), La Perla (EVO II), Club Hi.Fi. (EVO II), Club Lancia (EVO II), Dealers Collection (Evo II), Edizione Finale (EVO II).
Besondere emotionale Erinnerungen habe ich an meine sportlichen Aktivitäten. Noch heute erfüllt es mich mit Stolz, gemeinsam mit den größten Rallyefahrern seiner Zeit einen Weltmeistertitel nach dem anderen eingeholt zu haben. Ich erinnere mich noch ganz gut daran, es waren sechs Marken-WM Titel in Folge und fünf Fahrer Weltmeistertitel. Es war eine spannende und aufregende Zeit, die mich am Ende zur unvergesslichen Rennlegende gemacht hat!
So ganz ist meine Geschichte hier aber noch nicht zu Ende. 1993 präsentierte ich mich als Delta Nuova oder einfach nur Delta II im komplett neuen Kleid und war bis 1999 inklusive kleinen optischen Änderungen erhältlich.
Fast zehn Jahre später durfte ich noch einmal ein Revival erfahren und wurde in dritter Generation am Genfer Salon gefeiert. Doch dann, 2014 schickte man mich in den Ruhestand.
Dieser Rückblick macht mich jetzt schon ein wenig wehmütig. Ich vermisse die Straßen, die Rennstrecken und überhaupt einfach das Gefühl, wieder unterwegs zu sein. Wäre neugierig gewesen auf die aktuelle Zeit, wie sich ein Elektroantrieb anfühlen würde oder Erdgas. Aber zu meinem Trost gibt es noch so viele von mir, verteilt über die ganze Welt. Die einen gehegt und gepflegt, die anderen im Rausch des Rallyesports.
Besuchen könnt Ihr mich demnächst am Lancia Club Österreich Stand auf der Oldtimermesse in Tulln.
Quellen und Fotos: frei nach Lancia Delta von Nigel Trow, Lancia von Weernink, Delta Prospekte